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KI und Collie – hier noch der Real Talk



Wie die meisten von euch – aber längst nicht alle – schnell rausgefunden haben, war das gestern natürlich ein guter alter 1. April-Joke. Ich werde also tatsächlich immer noch, wo immer möglich, mit der ganzen Band, mit DJs und Instrumenten auftreten – und zwar schon bald wieder. Dass es für den einen oder die andere aber durchaus im Bereich des Vorstellbaren liegt, dass «echte» Musik in Zukunft durch KI ersetzt wird, sagt viel aus über den KI-Hype, der gekommen ist, um zu bleiben. Ich habe mir dazu noch ein paar Gedanken gemacht und aufgeschrieben. Dieser Blogpost ist etwas langatmiger als sonst, falls du ihn lesen willst: macht dir besser ein Limetten-Wasser und einen Snack ready.

 

Standortbestimmung: Noch nie war es so einfach, Musik zu produzieren, zu releasen und weltweit zu verbreiten. Gleichzeitig war es noch nie so schwierig, als Musiker, Produzent oder Songwriter langfristig von seiner Kunst zu leben. Digitale Plattformen und Möglichkeiten verändern die Spielregeln in rasantem Tempo. Dabei gibt es wie bei fast allem eine gute und eine weniger gute Seite. Let’s go.



 

Die gute Nachricht: Alles ist möglich

 

Wer heute Musik machen und diese veröffentlichen will, braucht kein Label und kein grosses Budget und kann die Gatekeeper umgehen. Mit einem Laptop, einem TikTok-Account und etwas Talent lässt sich theoretisch ein Welthit produzieren.

 

Jetzt kommt KI um die Ecke und bringt neue Tools: Sie kann Beats und Riddims bauen, Lyrics vorschlagen und sogar Stimmen generieren. Du hast kein Geld, um dir ein teures Sample zu lizenzieren? Got you. Kreative Blockade? Say no more. Für junge oder auch materiell weniger privilegierte Musikschaffende ist das eine echte Chance.

 

Zudem ermöglicht die direkte Kommunikation mit Fans über Social Media eine Unabhängigkeit, die es früher so noch nicht gab. Artists können ihre Community ohne (meist) mühsame Gatekeeper aufbauen und ihr Publikum so selbst erreichen. KI hilft dabei mit, den richtigen Content zu erstellen und der richtigen Zielgruppe auszuspielen. So weit, so unverwerflich.

 

 

Die schlechte Nachricht: Alles ist möglich

 

Da aber nun jeder unabhängig von Talent kann, soviel er will, leiden wir an einer exponentiell wachsenden Überflutung von «Inhalten». Täglich werden Millionen neuer Songs auf Spotify, YouTube und co. Hochgeladen (Quelle: Internet). Wer da herausstechen will, muss nicht zwingend nur gut sein – sondern auch sichtbar und präsent sein und im besten Fall mal «viral» gehen. Das kann zu einem enormen Druck auf Kreative führen und erschafft einen Markt, der Quantität über Qualität stellt.

 

Dazu kommt nun auch noch die knallharte wirtschaftliche Realität – cash money bro. Streaming-Plattformen zahlen pro Stream nur den Bruchteil von einem Rappen (wieviel genau habe ich an anderer Stelle zur besten Sendezeit schon mal im SRF-Studio ins Mic gespittet). Die Zahl der Artist, die tatsächlich von ihren Streams leben können, ist verschwindend klein. Gut, komponierts du halt Songs für die Werbung und lizensierst sie, damit kannst du zusätzlich was… hmmm, da war doch jetzt was? Richtig:

 

KI verschärft diese Entwicklung. KI-gestützte Tools produzieren in Sekundenschnelle ganze Songs, generieren Songtexte, imitieren Stimmen oder mixen und mastern Tracks. Das macht vieles einfacher – aber es nimmt auch jenen Space, den «echte» Künstlerinnen und Künstler zum Arbeiten, Scheitern und Wachsen brauchen. Wenn Musik beliebig reproduzierbar wird, verliert sie an Wert (…).  Nur Liebe wird nicht weniger, wenn man sie teilt.

 

Ich habe euch hier mal mit einem Auswand von rund 5-10 Minuten einen KI-Song generiert. Hier ist nichts, aber auch wirklich nichts daran «echt». Nicht das Cover, nicht der Riddim, nicht die Stimme. Text habe ich von ChatGPT schreiben lassen. Eigentlich wollte ich den Song «Video killed the radio star»-covern, aber das Verb durfte ich nicht verwenden – wenigstens das haha. Hör mal rein und schreib mir gerne deine Gedanken dazu.


 

 

Was den Menschen in der Musik ausmacht

 

Musik war und ist für mich immer eine Art Heimat, ein Vibe. Ich habe mich darin immer wohlgefühlt, gerade weil sich hier nicht alles messen und in Zahlen ausdrücken lässt. Ein Mensch, der einen Song schreibt oder interpretiert, bringt seine Geschichte, seine Verletzlichkeit, seine Struggles mit ein. Dinge, die eine Maschine zwar immer wie echter simulieren, aber weder empfinden oder nachvollziehen kann.

 

Und nicht zuletzt ist Musik immer auch kultureller Kontext. Sie erzählt Geschichten von Orten, Zeiten und Menschen. Sie spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen, persönliche Erlebnisse und kollektive Emotionen wider. Das lässt sich nicht kopieren. Oder?

 

 

Kurzer, aber typischer Collie-Random Bonus-Fact

 

Vor kurzem habe ich das irgendwo im Internet aufgeschnappt, und da es gerade plusminus hier reinpasst - hier ein weiteres Phänomen, wie sehr Musik mit unserem Menschsein verbunden ist: Unser Körper reagiert auf Musik, bevor wir sie bewusst wahrnehmen. Neurowissenschaftliche Studien belegen, dass unser Gehirn Serotonin und Dopamin ausschüttet, noch bevor der «beste» Teil eines Songs überhaupt erklingt. Sobald wir einen Song erkennen und wissen, was kommt, beginnt unser Körper, sich darauf zu freuen.

 

Eine KI kann berechnen, welche Akkordfolge statistisch funktioniert (die sind ja sowieso nicht unendlich gell, darum tönt vieles im Radio immer gleich) oder welche Hook die meisten Klicks bringt. Aber sie wird nie verstehen, warum ein bestimmter Song genau im richtigen Moment genau das auslöst, was wir gerade brauchen.

 

 

Soviel zur Theorie. Aber was können wir jetzt konkret tun?

 

Wäre jetzt natürlich easy, sich einfach so rage-bait mässig über diese Entwicklungen aufzuregen und dann wieder weiter zu scrollen. Aber versuchen wir es noch ganz kurz mit möglichen Lösungs-Ansatzen. Denn es liegt nicht nur an den Musikschaffenden selbst, ob Musik in Zukunft menschlich bleibt. Auch wir als Fans, Medien und Gesellschaft haben Einfluss darauf, wohin sich Musik entwickelt.

 

3 Idee, was wir konkret tun können:

 

Bewusst Musik konsumieren

 

Wir entscheiden mit jedem Klick und jedem Kauf, welche Art von Musik wir unterstützen. Wenn wir weiterhin Menschen, Bands, Songwriterinnen und Produzentinnen hören, die Herz, Geschichte und Haltung in ihre Musik legen, setzen wir ein Zeichen. Und es muss nicht mal nur um die reine Kaufkraft gehen. Teil das Zeug, rede darüber.

 

Kreative Arbeit fair entlohnen

 

Echte Musik hat einen Wert. Wer Artists unterstützen will, sollte nicht nur streamen, sondern auch Tickets im Vorverkauf holen, Platten und Merch gönnen, Alben downloaden (z.B. auf Bandcamp) oder andere Modelle nutzen.

 

Transparenz & Regulierung einfordern

 

Da sind wir evtl. zu spät dran, aber: es braucht klare Kennzeichnungen, wenn Songs, Texte oder Stimmen von KI erstellt wurden. Wir sollte ein Recht darauf haben zu wissen, ob wir gerade einem echten Menschen zuhören – oder einem Algorithmus. (Random Fact 2: Wer kennt diesen Song noch? – haha, da wurde eigentlich schon alles gesagt bzw. gerappt).

 

 

Bonus: Kunst ist nicht Content

 

You dreamer you. Aber ganz ehrlich: Wir müssen als Gesellschaft wieder lernen, Musik, Kunst und Kultur nicht mehr als «Content» zu verstehen, der im Vorbeiscrollen konsumiert wird. Musik ist kein Verbrauchsgut. Sie ist Ausdruck, Identität, Gemeinschaft. Für mich und «meine» Generation irgendwie klar, aber was ist mit den kommenden?

 

Am Ende brauchen wir Menschen eben nicht nur Nahrung, Sicherheit und ein Dach über dem Kopf. Wir brauchen etwas, das uns über das Funktionale hinaushebt.

Wir brauchen Kultur, Kreativität, Farben, Geschichten, Melodien – all das, was uns erlaubt, auszudrücken, was Worte und Zahlen allein nicht können.

 

Diese unzähligen KI-Tools können uns helfen, unsere Kreativität auszuleben, inspirieren, unterstützen und Prozesse vereinfachen. Stand jetzt ist es ja noch irgendwie lustig, aber die wichtigste Frage der nächsten Jahre bleibt: Lassen wir uns als Menschen von ihr ersetzen – oder nutzen wir die neue Technologie, um unsere eigene kreative Kraft zu verstärken? Denn aufhalten lässt sich das ganze nicht. Höchstens mal von einem etwas heftigeren Sonnensturm.

 

Die Frage ist also, was wir als Kollektiv wollen. Reden wir darüber.

 

 


Ein paar Links dazu:





PS: ...und falls Du wirklich bis hier unten gelesen haben solltest: am Samstag spiele ein Konzert in Olten mit vielen anderen tollen Artists - komm vorbei: Link

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